Lehrer werden Begleiter, Schüler werden Gestalter – Über das Projekt „aula“ mit Marina Weisband
Marina Weisband ist Psychologin und Beteiligungspädagogin. Die ehemalige politische Geschäftsführerin der Piratenpartei engagiert sich heute bei den Grünen in den Bereichen Digitalisierung und Bildung. Seit 2014 leitet sie das Projekt „aula“ - ein Beteiligungskonzept, das Jugendlichen aktive Mitbestimmung an den Regeln und Angelegenheiten ihrer Schule oder einer außerschulischen Organisation ermöglicht. Im Podcast „School must go on“ spricht Marina Weisband über die Ideen und Ziele hinter dem Projekt sowie das Rollenverständnis der Lehrkräfte.
– Die drei Teile von „aula“ –
Das Projekt besteht aus drei Teilen: 1. Eine Open-Source-Software, die leicht zu bedienen sei und die Jugendlichen dabei begleite, einen Beteiligungsprozess zu strukturieren, protokollieren, diskutieren und zu verbessern. 2. Ein Unterrichtskonzept, also die didaktische Begleitung des Prozesses, das Lehrer/-innen beibringt, das Projekt sinnvoll zu begleiten. 3. Ein verbindlicher Vertrag, mit dem sich die Schule freiwillig verpflichtet, alle Ideen von „aula“ in einem bestimmten Rahmen mitzutragen.
„Die Idee entstand in meiner Zeit bei den Piraten. Wir waren lauter junge Leute und wir stellten fest, dass das einzige, was die meisten von uns über unsere Demokratie gelernt hatten, das Organigramm war. Ich kam dann zu der Erkenntnis: Demokratie muss man nicht nur wollen, man muss sie auch können“, erklärt Marina Weisband.
– Das Rollenverständnis der Lehrkräfte –
Es gebe immer wieder Skepsis unter den Lehrkräften, bevor „aula“ an einer Schule eingeführt wird. „Des Öfteren hören wir von Lehrkräften die Angst ‚Schüler können etwas beschließen, was wir gar nicht wollen‘“, so die Diplom-Psychologin. Das Rollenverständnis der Lehrer/-innen sei deshalb bei der Einführung von „aula“ sehr wichtig. Was ist eine Lehrkraft? Welche Aufgaben hat sie? Woraus speist sich Autorität und wie kann ich mit dem Kontrollverlust umgehen? Das seien nur einige der Fragen, die im Rahmen dessen aufkommen. „Wir arbeiten eigentlich an ganz intimen Themen der Organisationsentwicklung“, fasst Marina Weisband zusammen. „Im besten Fall verändern wir durch die Einführung von „aula“ die Rolle der Lehrkräfte von Autoritäten hin zu Begleitern und die der Schüler/-innen von Konsumenten hin zu Gestaltern.“
– Mehr Macht für die Schüler –
„Wir haben schon oft die Bedenken von Schüler/-innen gehört: ‚Warum sollen wir uns denn beteiligen, die Lehrer/-innen machen doch eh, was sie wollen‘. Das ist da, wo dieses ‚Die da oben machen doch eh, was sie wollen‘ anfängt und das ist der Einstieg in Populismus“, sagt die Beteiligungspädagogin. Das oberste Ziel von „aula“ sei daher das empowern der Schüler/-innen und das Erleben von Selbstwirksamkeit und einer eigenen Rolle in der Gesellschaft, die als aktive Rolle verstanden wird. So wurde beispielsweise schon ein Smartphone-Tag an einer Schule beschlossen, an dem alle Lehrkräfte ihren Unterricht mithilfe des Smartphones machen müssen. Oder Lehrkräfte wurden mithilfe eines Crowdfundings auf eine Fortbildung zum Thema „Smartboards“ geschickt. „‚aula‘ bringt die Schüler/-innen in das verbindliche Umsetzen ihrer eigenen Visionen.“
Außerdem spricht Marina Weisband über das Problem der Finanzierung, die Auswirkungen der coronabedingten Schulschließungen auf das Projekt, Schulentwicklung in Deutschland, Datenschutz bei der Wahl der Software und den Digitalpakt.
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