(Engl.) Live-Unterricht via Google, Zoom und Co. – Über Bildung in Polen mit Joanna Juszczyk
(***englisches Interview***)
Joanna Juszczyk ist seit 18 Jahren Englischlehrerin in Polen. Davon war sie die meiste Zeit an einer Mittelschule tätig. Seit drei Jahren arbeitet sie als Lehrerin an einer Grundschule. Vergangenes Jahr gewann sie den polnischen Wettbewerb „Brainly Educator of the Year 2020“ in der Kategorie Geisteswissenschaften. Im Podcast „School must go on“ spricht Joanna Juszczyk über das Schulsystem in Polen, wie dort derzeit der Unterricht stattfindet und über Tests.
– Schulreform in Polen –
Vor vier Jahren habe es in Polen eine große Bildungsreform gegeben. Zuvor seien Kinder zunächst auf eine Grundschule, dann auf eine Mittelschule und letztlich auf eine Oberschule gegangen. Im Rahmen der Reform wurde die Mittelschule jedoch abgeschafft und die Kinder verbringen nun acht Jahre auf der Grundschule. „Es ist nun genauso wie damals, als ich zur Schule gegangen bin, aber das ist halt mehr als 20 Jahre her“, merkt Joanna Juszczyk an. Es sei für die Reform nichts geplant gewesen, sodass die Grundschulen nun zu wenig Klassenräume und somit zu große Klassen haben. „Die Reform war nicht vorbereitet und sie wurde zu schnell eingeführt“, appelliert die Lehrerin. „Ich habe das Gefühl als Lehrerin, dass es sich nicht zum Guten für die Schüler/-innen verändert hat.“
– Über das ständige Testen und Benoten –
Im polnischen Bildungssystem sei das Benoten der Kinder ein großer Bestandteil. Dadurch gebe es auch immer wieder und in allen Fächern Tests. „Die Lehrer/-innen können sich nicht vorstellen, Kinder zu unterrichten, ohne ihnen Tests zu geben“, erklärt Joanna Juszczyk. Der ganze Unterricht sei darauf ausgelegt, die Kinder auf die vielen Tests vorzubereiten und es bleibe keine Zeit für Konversationen oder Projekte. „Insbesondere in Englisch brauchen sie die Fähigkeit für ihr Leben, nicht für Tests. Sie müssen sprechen und die Sprache benutzen und nicht Tests schreiben“, erklärt die Grundschullehrerin.
– Live-Unterricht während Corona –
In Polen werde der Lehrplan und alles den Unterricht Betreffende durch das dortige Bildungsministerium vorgegeben. „Es gibt einen Lehrplan für das gesamte Land“, so die Pädagogin. Die lokalen Verwaltungen seien lediglich für organisatorische Aufgaben, wie das Renovieren von Schulgebäuden oder die Beschaffung von Computern zuständig.
Anlässlich der ersten Schulschließungen im Frühjahr 2020 habe das Ministerium dann viel Autonomie und damit auch Verantwortung an die Schulen abgegeben. „Das war einerseits gut, weil es pragmatisch ist. Andererseits ging damit die ganze Verantwortung für die Dinge, die passieren und vielleicht auch nicht gut laufen, auf die Direktoren über“, erklärt Joanna Juszczyk.
Nachdem der Unterricht während der ersten Schulschließungen noch viel aus dem Zusenden von Materialien bestanden habe, sei es mittlerweile üblich, den normalen Stundenplan als Live-Unterricht über Google, Zoom oder Microsoft abzuhalten und seine Schüler/-innen täglich zu sehen. „Die Direktoren haben über den Sommer gute Arbeit geleistet, was das Vorbereiten der Lehrkräfte und Organisieren des Unterrichts angeht“, lobt die Englischlehrerin. „Ich habe beobachtet, dass Kinder diesen Kontakt, wenn auch nur online, wirklich brauchen!“
Außerdem spricht Joanna Juszczyk über den Lehrkräftemangel in Polen, ihre Meinung zu Schulbüchern und was ihre Wünsche an das Bildungsministerium sind.
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